Erbrecht - Pflichtteilsentziehung und spätere Verzeihung
In dem vor dem Oberlandesgericht Nürnberg entschiedenen Fall hatte der Erblasser in seinem notariellen Testament dem Kläger auf Grund dessen begangener Straftaten den Pflichtteil entzogen, diesem jedoch später verziehen.
Hierüber besteht Streit zwischen dem Sohn als Kläger und der testamentarisch eingesetzten Alleinerbin.
Unabhängig davon, ob das damalige Verhalten des enterbten Sohnes dessen Pflichtteilsentziehung rechtfertigt, hat der Erblasser im vorliegenden Fall (OLG Nürnberg 12 U 2016/11) durch objektive Verhaltensweisen gezeigt, dass er seinem Sohn verziehen hat.
Nach geltender Rechtsprechung ist die „Verzeihung“ ein Prozess, der auch in der Rückkehr zur Normalität seinen Abschluss finden kann. Hierbei kommt es -wie sonst auch bei Willenserklärungen und Verträgen- nicht lediglich auf die inneren Motive und Wünsche des Erblassers an, sondern auf das objektiv Erklärte.
Hat der Erblasser dem Pflichtteilsentzogenen -hier seinem Sohn- später dessen Tat(en) verziehen, so erlischt sein Recht zur Pflichtteilsentziehung und kann später -zumindest aus demselben Grund- auch nicht wieder aufleben.
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Erbrecht- Andeutungstheorie gilt auch bei Auslegung eines Erbvertrags
Nur wenn im Erbvertrag selbst bereits andeutet ist, wie dieser notfalls anzupassen ist, kann eine Vertragslücke durch ergänzende Auslegung geschlossen werden.
Das Oberlandesgericht in Düsseldorf hat durch Beschluss vom 6.12.2011 - Aktenzeichen: I 3 Wx 261/11 festgestellt, dass es bei der ergänzenden Auslegung von Erbverträgen auch dann nicht allein auf den hypothetischen Willen des Erblassers, sondern auf den übereinstimmenden hypothetischen Willen beider Erbvertragsparteien ankommt, wenn nur ein Vertragsteil vertragsgemäß bindend verfügt hat.
Auch wenn unterstellt werden kann, dass die Erbvertragsparteien bei Kenntnis der Entwicklung (hier: eine geistige Behinderung des gemeinsamen Kindes) seinerzeit anders testiert hätten, ist für das Bestehen einer auslegungsbedürftigen Vertragslücke zwingend notwendig, dass zumindest eine Andeutung hierfür im Erbvertrag dahingehend zu finden ist, wie der Vertrag anderenfalls angepasst worden wäre.
Fazit:
Solche Anhaltspunkte fehlten im durch das OLG zu entscheidenden Fall, das Testament war deshalb gemäß § 2289 I 2 BGB unwirksam.
Wie bei der Auslegung einseitiger letztwilliger Verfügungen ist zur Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens auch beim Erbvertrag die Andeutungstheorie zwingend zu beachten.
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Erbrecht - Enterbung aller Verwandten / Auslegung von Testamenten
"Jegliche Forderungen von Verwandten (mit denen auch seit Jahrzehnten schon keinerlei Kontakt besteht) werden ausdrücklich ausgeschlossen" kann als umfassende Enterbung im Sinne des § 1938 BGB zu verstehen sein. (Amtlicher Leitsatz)
Das Oberlandesgericht Hamm hat durch vom 09.12.2011 (I -15w 701/10) entschieden, dass die Formulierung "Jegliche Forderungen von Verwandten (mit denen auch seit Jahrzehnten schon keinerlei Kontakt besteht) werden ausdrücklich ausgeschlossen" als umfassende Enterbung der Verwandten verstanden werden kann.
Die Auslegung eines Testaments hatte das Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist zunächst vom durch den Erblasser in dem Testament verwendeten konkreten Wortlaut auszugehen, wobei in dieser jedoch nicht bindend ist.
Nach der Ansicht des Oberlandesgerichts besteht ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass der Erblasser das Erbrecht eines auch noch so entfernten Verwandten zumeist dem Erbrecht des Fiskus vorziehen wird. Der Wille zum umfassenden Ausschluss des Verwandten Erbrechts muss jedoch anhand des Testaments feststellbar sein und darf nicht vorschnell angenommen werden.
In der zitierten Entscheidung wertete das Oberlandesgericht Hamm diese Formulierung jedoch als umfassende Enterbung aller Verwandten.
(zur Auslegung von letztwilligen Verfügungen siehe auch die Veröffentlichung „Erbrecht- Andeutungstheorie gilt auch bei Auslegung eines Erbvertrags“)
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